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Jüngerschaft - noch aktuell?
#2
Hier meine Antwort auf den Artikel. Was meint Ihr?

Ich finde es immer gut, wenn man in den Gedanken herausgefordert wird, auch mit einer konträren Meinung und am besten aufgrund biblischer Argumentation. Da lernt man was.

Ich finde so einen Schlüsselsatz aus dem Artikel:

"Warum gibt es so viele Christen, die keine glaubensstarken Persönlichkeiten werden?"

Eine Frage, die wie ich finde der Artikel nicht recht beantwortet.

Es ist gut und wertvoll, dass er Artikel die möglichen Missbräuche von Jüngerschaft anspricht, schüttet aber, wie ich finde, das Kind mit dem Bade aus. Den gleichen Fehler will ich nicht in Bezug auf institutionalisierte Gemeinde machen, auch wenn hier über gewisse Punkte dringend gesprochen werden müsste, ob man die will oder nicht.

Die Argumentation, dass "Machet zu Jüngern alle Völker" sich auf Nationen im 1000 jährigen Reich bezieht und daher heute nicht anwendbar ist - also das hat mich gar nicht überzeugt. Das kommt mir so vor wie wenn man mit Wortklaubereien versucht, das offensichtliche wegzudiskutieren, bloß weil man vielleicht negative Erfahrungen damit gemacht hat. Das überzeugt nicht. Außerdem liegt dem Artikel ein missbräuchliches Verständnis von Jüngerschaft zugrunde, eines das von Machtmissbrauch, Selbstverherrlichung und dergleichen geprägt ist - vielleicht von einer pharisäischen Art der Jüngerschaft.
Jesus war nicht er einzige Rabbi - richtig. Auch die Pharisäer hatten Jünger. Der Erfolg von Jüngerschaft hängt immer sehr davon ab, wem man folgt, was man lernt.
Folgen wir den Pharisäern, werden wir Pharisäer. Folgen wir Jesus, werden wir mit Leben, Einsicht und Stärke erfüllt.

Später kommen dann die Themen wie sich Jüngerschaft oder nicht in der Gemeinde verwirklicht. Ich finde es richtig, dass Glaubensreife thematisiert wird, und die "Kinder", "Jungen Männer" und "Väter" sind leicht nachvollziehbar. Das mit den Brüdern ist ein wichtiger Aspekt, sollte aber, wie ich finde nicht theoretisch überhöht werden.

Ich will mal ein Beispiel aus dem praktischen Leben machen. Ich bin Ingenieurund habe in den letzten 13 Jahren bei einer Industriefirma gearbeitet. In den letzten 6-7 Jahren habe ich ein innovatives Konzept in die Welt gesetzt, mit dem ein Produkt gebaut wurde. Tausende neuer Funktionen sind enstanden. Das habe ich natürlich nicht alles alleine gemacht, sondern da hatte ich einen Kreis von Experten, die es eigentlich gemacht haben. Ich habe ihnen die notwenige Anleitung gegeben. Die natürlich auch nicht nur in eine Richtung verlief, sondern hätte ich nicht jeden Tag von den Experten was gelernt, hätte ich nicht richtig anleiten können. Die Experten haben wiederum ihre Leute angeleitet - das Multiplikationsprinzip. Das hat super funktioniert. Wir haben etwas vollbracht, was in der Technik-Geschichte einmalig ist und es auch noch viele Jahre bleiben wird. Heute - nach 7 Jahren - bin nicht mehr ihr Mentor, sondern konnte die Aufgabe getrost ihnen überlassen - da sie die Reife und das Wissen über die Zeit erworben haben. Ich habe nun eine eigene Firma gegründet und werde das Prinzip in anderer Form wiederum anwenden - mit neuen Leuten und neuen Themen.

Also die Experten, die ich angleitet habe, die waren wie ich auf der gleichen Stufe. Wir waren alles Angestellte der Firma. In dieser Beziehung waren wir auf der gleichen Stufe. Ich habe sie nicht bezahlt. Ich habe auch keine Weisungsbefugnis ihnen gegenüber gehabt. Wenn ich wollte, dass sie mir folgen oder besser gesagt meinem Ansatz, dann musste ich sie schon überzeugen.
Aber zu sagen, dass es keine Unterschiede gab, dass alles nivelliert wird, auch in der Beziehung - wäre falsch, romantisch verklärt und unproduktiv. Das hätte nie im Leben funktioniert. Da fehlt, wie ich finde manchmal den Leute, die solche Bibelarbeiten schreiben eine Portion praktische Lebenserfahrung.
Nein - ich bin der Verantwortliche für das Konzept gewesen, und wenn damit was nicht gestimmt hat, dann musste ich es geradebiegen. Ich musste die Leute anleiten, einladen, die Präsentationen vorbereiten, die Offenen Punkte verwalten, Leute ersetzen, wenn notwendig, Schulungen abhalten und das ganze Thema vor dem Management rechtfertigen und vertreten - hast schließlich auch ein paar Euro gekostet das ganze zu machen. Wenn es schief gegangen wäre, hätte ich den Kopf hinhalten müssen, nicht die anderen.
Und Paulus sagt auch, dass Lehrer zweifache Rechenschaft ablegen müssen einmal vor dem Thron Jesu - eben für ihr eigenes Leben und was sie mit dem Leben derjenigen gemacht habe, die sie gelehrt und angeleitet haben. Das betrifft NUR Lehrer. Alle anderen müssen nur einfache Rechenschaft ablegen. Das ist fair. Der Lehrer hat eine Chance auf höheres Lob, aber auch ein höheres Risiko, wenn er Unsinn treibt. Umso wichtiger ist es, dass er sich genau überlegt, was er so von sich gibt.

So - also "Jüngerschaft" als Prinzip - man könnte auch sagen "Mentoring" oder "Coaching" oder "Governance" oder "Anleitung" oder was es für Begriffe gibt - das funktioniert spitze.
Auch im christlichen haben ich damit sehr gute Erfahrungen gemacht in meiner Jugend. Diejenigen, die ich angeleitet habe, das sind die, die Jesus heute treu nachfolgen. Die, die nur Veranstaltungsmäßig betreut wurden - es gibt viele traurige Geschichten.
Auch in Bezug auf meine Söhne versuche ich es umzusetzen - sowohl in der Anleitung im Wort Gottes - als auch vielen Fragen der Lebensführung und Diskussionen über Werte - als auch in fachlicher Hinsicht (Informatikwettbewerb, Roboterprogrammierwettbewerb etc.). Auch hier muss ich sagen überwiegen die Vorteile der persönlichen Anleitung bei weitem. Es gewinnen immer die Teams, bei denen das am besten funktioniert hat. Die anderen Teams - die vernachlässigt wurden - naja - die hinteren Plätze werden von diesen bevölkert.

Darum kann mich auch keine griechische Wortklauberei überzeugen, dass irgendwas mit Jüngerschaft an sich falsch ist. Es liegt einfach so offensichtlich auf der Hand, wie gut es ist. Und das sehen wir auch in der Bibel. An sehr vielen Stellen. Jesus selbst tat es, Paulus tat es, Timotheus tat es, Aquila und Priszilla taten es, ... wer tat es eigentlich nicht? Und wenn wir von "Vater" und "Kind" im Glauben reden, dann besteht zwischen diesen nicht nur ein Unterschied in der Reife - dann wäre es nur "Ein Vater" und "ein Kind". Aber wenn ein Vater von "seinen Kindern" spricht oder ein Kind von "seinem Vater" spricht, dann ist das was ganz anderes. Wir sollen uns nicht "Vater" anreden lassen - ja. Wir sollen daraus keinen Amtstitel machen. Weil dies lächerlich ist. Ein Vater, der Kinder gezeugt hat, muss nicht verlangen, dass er mit Vater angeredet wird, weil er einer ist. Paulus wollte auch lieber Vater als Lehrmeister werden, von denen es leider viel zu viele gibt. Und irgendwann werden seine Söhne junge Männer. Und es ist gut, dass sie den Vater nacheifern, sofern der Vater Jesus nachfolgt und die Bibel lehrt. Aber natürlich sind sie nicht er. Und sie werden auch nicht er. In gewissen Punkten sollen sie ihm nacheifern. In seiner Hingabe an Jesus, in seinem Wissen, in seiner Disziplin, ins einem Mut, ... ja. Aber natürlich nicht darin, welche Hobbies er hat, welchen Beruf er hat nicht notwendigerweise.
Und irgendwann werden sie eigene Männer sein - auf eingenen Füßen stehen. Und dann werden sie selbst neue Menschen kennenlernen. Und vielleicht eigene Kinder zeugen.

Das alles ist Leben, Dynamik, Weiterentwicklung, Multiplikation, Vermehrung.

Naja - und dann kommt die Gemeinde. Man setzt sich also in den Gottesdienst und dann hört man sich Sonntag für Sonntag eine Predigt an, die man zu 95% schon kennt, zu 3% anderer Meinung ist und 2% vielleicht Gedankenanstöße bekommt, die weiterhelfen. Wenn ich mir so eine "Ausbeute" im Beruf leisten würde, wenn ich also Vorträge besuchen würde, bei denen ich so wenig lerne, und das Woche für Woche, dann würde ich schnell pleite gehen. Für den Redner mag es ja noch nett sein - wenn er so redet, und er mehr Zuhörer hat als wenige, und auch keine Fragen gestellt werden, zumindest keine allzu schwierigen. Aber für mich wäre das einfach Zeitverschwendung. Klingt hart, ist es vielleicht auch, aber ja - ich denke man kann es auch einmal so betrachten. Authentizität eben.

Und dann wundert man sich über die Frage: "Warum gibt es so viele Christen, die keine glaubensstarken Persönlichkeiten werden?"

Ich finde die Antwort liegt auf der Hand.

Und man könnte auch einmal die Frage stellen: "Warum hinterlassen wir Christen so wenig Footprint in der Gesellschaft, die so dringend das Salz der Erde und das Licht der Welt nötig hat?". Man kommt bei der zweiten Frage aber auch wieder auf die erste.

Und demensprechen wäre es einfach verantwortungslos, wie ich finde, einfach "so weiterzumachen". Einstein sagte einmal: "Es ist töricht anzunehmen, dass ein anderes Ergebnis herauskommt, wenn man es doch auf die gleiche Art und Weise macht."

Neonikidingsbums eben.

Naja - und eben über alles dieses nachdenkend bin ich eben auf dem Weg - auf der Suche. Ich weiß noch nicht ganz genau, was ich will und was auch im Gesamtkontext der Familie etc. die Richtung und das Ziel ist. Aqulia und Priszilla sind uns überzeugende Vorbilder - irgendwie. Und dann ist man eben auf der Suche nach Gleichgesinnten, solchen mit denen man reden kann, mit denen man Gemeinschaft in diesen Fragen, aber auch im konkreten Leben haben kann.
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