Jakob Wiebe schreibt:
Zitat:Die Auslegung einer solchen Übersetzung ist relativ eindeutig. Hier wird den Frauen der Vorgang des Lehrens an sich verboten. Warum? Weil schon dieser Vorgang an sich, das Herrschen der Frau über den Mann darstellt. Daher soll eine Frau “still sein”.Er bezieht sich hier auf die damals üblichen Kulte in Ephesus und deren Auswirkungen auf spezielle Irrlehren, die in der dortigen Gemeinde Fuß gefasst haben. Genaueres führt er auf den folgenden Seiten in seinem Buch aus.
Aber so einfach ist diese Übersetzung nicht zu halten. Zunächst einmal gibt es dafür einige grammatikalische aber auch semantische Gründe. Dazu kommt, dass hier im Text ein Wort auftaucht (αυθεντειν, authentein), das im gr. NT nur ein einziges mal auftaucht. Luther und sämtliche dt. Übersetzer nach ihm, haben das Wort αυθεντειν mit herrschen übersetzt. αυθεντειν kann durchaus diese Bedeutung haben, aber wenn das NT über herrschen (des einen über einen anderen) redet, verwendet es zwei total andere Begrife wie: kyrieuein oder exousiazein. Zum
Bedeutungsspektrum gehört unter anderem:
1. etwas beginnen, für einen Zustand oder eine Handlung maßgeblich verantwortlich zu sein
(insbes. im Zusammenhang mit einem Mord)
2. regieren, dominieren
3. die Macht an sich reißen oder die Rechte eines anderen beschneiden
4. das materielle oder geistige Eigentum oder die (alleinige) Herrschaft beanspruchen
5. Ursprung von allem, Schöpfer sein
Die andere Frage ist, wie übersetzt man am besten die veschiedenen Verbformen von διδασκειν (lehren: Präsens, infinitiv aktiv) und επιτρεπω (erlauben, gestatten: 1. Person Singular, Präsens, indikativ aktiv). Ohne jetzt ins Detail zu gehen (und einige mit einem so spannenden Fach wie dt. Grammatik zu langweilen), kann auch im Gr. so wie im Dt. ein Infinitiv für eine indirekte Rede verwendet werden. Solche Beispiele finden wir auch sehr oft im NT:
... unter welchen Hymenäus ist und Philetus, die von der Wahrheit abgeirrt sind, indem sie sagen, daß die Auferstehung schon geschehen sei, und den Glauben etlicher zerstören. 2 Tim 2,17-18
oder:
Und er fing an, sie zu lehren, daß der Sohn des Menschen vieles leiden und verworfen werden müsse von den Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten, und daß er getötet werden und nach drei Tagen auferstehen müsse. Mk 8,31
Die Satzteile: daß die Auferstehung schon geschehen sei und daß der Sohn des Menschen vieles leiden und verworfen werden müsse von den Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten, und daß er getötet werden und nach drei Tagen auferstehen müsse – sind sog. indirekte Rede und geben die Gedanken/Redeinhalte des Subjekts wieder.
Demnach kann der Text aus 1 Tim. 2,12 (gemäß der verschiedenen Bedeutungsvarianten von αυθεντειν) folgendermaßen übersetzt werden:
Ich gestatte einer Frau nicht zu lehren, dass sie über den Mann Herrschaft ausübe;
sie soll still sein, denn…
oder
Ich gestatte einer Frau nicht zu lehren, sie sei der Ursprung des Mannes, denn…
Und wie jeder erkennen kann, geht es hier nicht um ein grundsätzliches Lehrverbot für Frauen, sondern um ein Lehrverbot bestimmter Lehrinhalte, die Frauen in der Gemeinde in Ephesus (wo Timotheus zu der Zeit Pastor war) offensichtlich verbreiteten.
Das passt auch sehr gut in den Gesamtkontext der Geschichte und auch der Pastorabriefe….
Aus: Jakob Wiebe - "Das Schweigen der Frauen. Haben wir Paulus da richtig verstanden?"
Trotz so manchem Tief das ich erlebt habe, immer noch oder gerade deshalb Christ